Teil 37 meiner 90-Tage-Challenge. Unser vorletzter Tag in Tanger. Wir haben heute die Fährtickets für Sonntag Richtung Tarifa und die Bustickets für Tarifa – Cadiz gekauft. In Cadiz bleiben wir zwei Nächte, bevor es am Dienstag mit dem Bus weiter nach Huelva geht. Dort nehmen wir die Fähre für eine 1,5-tägige Fährfahrt nach Santa Cruz de Tenerife.
Heute Vormittag waren meine Frau und ich unterwegs, damit ich noch mal zum Malen komme. Diese Woche habe ich nur wenig gemalt – und werde daher auf gar keine Fälle meine 90 Posts / Bilder / Texte / Irgendwas während unseres Sabbaticals »voll« bekommen. Macht mir aber nix ;-) Es war von Beginn an immer ein mögliches (und auch recht wahrscheinliches) Ergebnis des Experiments, dass ich es nicht schaffen werde. Wobei: wer weiß? Vielleicht überkommt mich ja in den nächsten Wochen noch ein Produktivitätsschub, dass ich es doch noch schaffe? Ist aber für mich überhaupt nicht entscheidend …
Soziokratie
Was ganz anderes: ich habe ja mein Sabbatical auch als willkommene Gelegenheit gesehen, mir Gedanken über berufliche Perspektive zu machen. Durch meine Freiwilligenarbeit bei der Gemeinwohl-Ökonomie habe ich vor Jahren das Konzept der Soziokratie kennengelernt. Soziokratie kann ich Arbeits- und ganz allgemein in Organisationskontexten eingesetzt werden und kann erheblich zur Optimierung der Zusammenarbeit beitragen. Grundlegende Konzepte sind etwa
- die sogenannte Kreisstruktur
- systemisches Konsensieren
- Doppelte Verbindungen
- offenen Wahlen
Kreisstruktur
Bei der Kreisstruktur geht es beispielsweise darum, dass bei Meeting alle(!) Gehör finden. Es ist damit eine Moderationstechnik und macht klar, worum es bei Soziokratie im Allgemeinen geht: um ein praktisch hierarchieloses Zusammenwirken der Beteiligten.
Systemisches Konsensieren
Das Systemische Konsensieren ist ein Tool zur Entscheidungsfindung. Es funktioniert vollkommen anders als das gängige Mehrheitswahlverfahren. Bei dem 51% der Wahlberechtigten 49% überstimmen können. Hierbei werden zunächst verschiedene Optionen zur Beantwortung einer Fragestellung gesammelt. Und beim Konsensieren wird dann nicht für oder gegen einen Vorschlag gestimmt, sondern abgefragt, wie hoch die Widerstände sind, beispielsweise auf einer Skala 0 – 1 – 2. Das Spannende hierbei: einerseits kommt man hierbei sehr mit sich in Kontakt, weil man eben in sich hineinhorchen muss, wie stehe ich zu einer konkreten Option. Zum anderen erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass eine Option, die die wenigsten Widerstände auf sich vereint, eben von den meisten Beteiligten mitgetragen wird. Es wird ja niemand überstimmt.
Doppelte Verbindungen
Ein weiteres Merkmal von soziokratischen Strukturen, sind kleine Arbeitsgruppen. Arbeitsgruppen, -kreise oder Circle bestehen aus unter 10 Mitgliedern. Um nun in großen Kontexten zusammenzuarbeiten, überschneiden sich zwei Arbeitskreise immer durch zwei Personen. Und greifen dadurch wie Zahnräder ineinander. Dabei ist die Idee, das je eine Person aus einem der beiden Arbeitskreise stammt.
Offene Wahlen
Wenn Rollen neu besetzt werden sollen, wird dies offene Wahlen entschieden. Ähnlich wie beim Systemischen Konsensieren wird hier auch wieder einerseits eine größtmögliches Transprarenz geschaffen und andererseits übernehmen alle Beteiligten (die Mitglieder eines Kreises) Verantwortung. Zunächst wird definiert, was die Rolle ausmacht. Wer dafür infrage kommt, kann jede Person vorschlagen, auch sich selbst. In mehreren Runden wird dann immer mehr verfeinert, wer am besten in die Rolle passt.
Ich finde diese Konzepte – von denen es noch weitere gibt – extrem vielversprechend, sodass ich im Oktober beim Deutschen Soziokratiezentrum (https://soziokratiezentrum.de/event/7-soziokratie-online-training/) eine siebenwöchige Fortbildung beginnen werde. Stephan Voth, der das Onlinetraining als einer der Leitenden mit begleitet, habe ich übrigens vor wenigen Jahren beim Tag der Gewaltfreien Kommunikation in Köln kennengelernt. So schließen sich immer mal wieder Kreise!
Was ich mittelfristig mit der Fortbildung machen werde? Das wird sich zeigen!