Dieser Beitrag ist ein bisschen OT, für mich selbst aber eigentlich nicht: Bisher habe ich in meinen Blogbeiträgen ausnahmslos über im engeren Sinne Designthemen geschrieben – und dieser ist mein erster Beitrag, in dem ich den thematischen Rahmen weiter fasse. Es geht um die internationale Bewegung »Gemeinwohl-Ökonomie« (»GWÖ«), in der ich mich seit ca. 1 1/2 Jahren aktiv einbringe. Die offizielle Website findest Du unter ecogood.org. Ein paar Stichworte und Infos zur GWÖ:
- Die Gemeinwohl-Ökonomie etabliert ein ethisches Wirtschaftsmodell. Das Wohl von Mensch und Umwelt wird zum obersten Ziel des Wirtschaftens. (Zitat von web.ecogood.org/de)
- weltweit gibt es über 150 Regionalgruppen
Delegierten – what?
Ein Mal im Jahr treffen sich die Delegierten der GWÖ, um inhaltliche, strukturelle und personelle Entscheidungen zu fällen. Diese Entscheidungen können verpflichtend für die jeweiligen Bereiche oder auch Grundlage für weitere Bearbeitung sein. Damit ist das Delegierten-Treffen sozusagen das Parlament der gesamten Bewegung. Grundlage für Entscheidungen bilden schriftliche Anträge, die lange im Vorfeld der Delegiertenkonferenz eingereicht und online diskutiert / kommentiert werden können.
Die Delegierten selbst sind entweder gewählte Vertreter der Regionalgruppen oder der »Hubs«. Das sind ständige Arbeitsgruppen, die auf internationaler Ebene arbeiten, z.B. in den Bereichen Kommunikation, Beratung oder IT.
Eigentlich sollte das Delegiertentreffen Anfang Mai in Schweden stattfinden. Ich hatte mich, nachdem ich von der Regionalgruppe Gemeinwohl-Ökonomie Köln Bonn (web.ecogood.org/de/koeln-bonn) als Delegierter gewählt worden war, für das Treffen in Schweden angemeldet. Aufgrund Corona fiel das physische Treffen aus und wurde dann vergangene Woche an drei Tagen als Online-Konferenz per Zoom nachgeholt. Die offizielle Webseite (engl.) mit weiteren Informationen und dem Ablaufplan findest Du hier: da.ecogood.world.
Meine persönlichen Highlights
Folgende Punkte haben einen besonderen Eindruck bei mir hinterlassen:
- Internationalität: an verschiedenen Punkten des Programms wurden die bis zu knapp 90 Teilnehmenden in kleinere Zoom-Breakout-Rooms zusammen gebracht, um die Anträge zu diskutieren oder sich zu anderen Themen auszutauschen. Und dabei habe ich mich dann plötzlich im Gespräch mit Mitstreiter*innen aus Mexiko, Chile, Argentinien, Italien und Spanien wiedergefunden. Das hat meine Sicht auf die gesamte Bewegung verändert, weil ich bisher zwar Freiwillige aus anderen deutschen Städten, aber eben nicht aus anderssprachigen und schon gar nicht aus außereuropäischen Ländern kennengelernt habe: Super!
- Extrem hohe/s/r Engagement / Idealismus / Professionalität: die Anträge wurden sehr ernsthaft diskutiert, verbessert. Das fand ich teils sehr mühsam, weil es dabei um kleinste Formulierungen ging. Aber die Anträge profitierten spürbar von den Überarbeitungen, weil sie deutlich mehr Klarheit in die Texte brachten. In Anschluss an diese Überarbeitungen, die in sogenannten Marketplaces stattfanden, wurden diese systemisch konsensiert (sk-prinzip.eu), was durch den Einsatz des Online-Tools Limesurvey sehr gut geklappt hat!
- Offenheit / Transparenz: auch Probleme wurden offen benannt und wenn es einen passenden Rahmen dafür gab, auch diskutiert. Insgesamt habe ich den Umgang als ein sehr angenehmes, freundliches Miteinander erlebt!
- Die drei Tage sind jeweils mit geführten Meditationen eingeleitet worden, was ich super fand und nach meinem Erleben auch einen wichtigen Beitrag für das wohlwollende Miteinander leistete.
- Namen und Gesichter: beim Delegiertentreff habe ich nun auch die Delegierten der internationalen Hubs (ecogood.org/who-is-ecg/hubs) erlebt und kann nun, nachdem mir eine Reihe von Namen im Vorfeld schon geläufig waren, auch Gesichter mit den Namen verbinden.
»Mein Englisch ist so schlecht«
Ich kann Englisch zwar sehr gut folgen – sowohl geschrieben als auch gesprochen. Das ist auch bei englischen, fachlichen Inhalten, in denen ich mich wie bei WordPress oder InDesign sehr gut auskenne, der Fall. Aber: ich bin es überhaupt nicht gewohnt, Englisch zu sprechen. Und bei den Malen, in denen ich sozusagen gezwungen war, mich auf Englisch auszudrücken, stand ich mir selbst im Weg. Und mit diesem Gefühl des »Ich kann nicht gut genug Englisch« bin ich in die drei Tage Delegierten-Treff gegangen. Immerhin hatte ich mir im Vorfeld Gedanken um dieses Thema gemacht und dabei war mir eben auch klar geworden, dass es für mich darum gehen würde, über meinen eigenen Schatten zu springen – und »einfach drauf loszureden«.
Dank des netten Umgangstones und des übergreifenden Themas fiel es mir dann auch mit jedem Tag leichter, mich einzubringen – es blieb mir allerdings und zum Glück – auch nichts anderes übrig :) Hilfreich dabei war, dass ich mir dabei immer wieder darüber klar wurde, dass niemand – außer ich mir selbst – vorhielt, dass mein Englisch schlecht sei ;-)
Fazit
Neben den vielen netten neuen Kontakten, dem enormen inhaltlichen Input, der Auseinandersetzung mit eigenen Themen wie »wie kann / will ich mich weiter einbringen« oder »wie gehe ich mit der Verantwortung als Delegierter um« habe ich viel über die internen Strukturen (ecogood.org/who-is-ecg/organization) und: über mich selbst gelernt ;-) So bleibt mir an dieser Stelle nur ein Riesendankeschön an die Moderator*innen und das Orgateam auszusprechen, die sich auch um die vielen technischen Aspekte gekümmert haben und die einen fantastischen Job gemacht haben!
Ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit und auf ein Wiedersehen mit Euch (z.B. während der Sommerwoche: bayern.ecogood.org/gwoe-sowo-2020)!!!
Wenn Du Fragen hast oder sonst etwas anmerken möchtest, freue ich mich über Deinen Kommentar!
Hallo Karsten,
hier Andreas aus München. Bin gerade “ zufällig “ auf Deinen Blog gestossen.
Sehr schön zusammengefaßt und beschrieben. Es war auch meine erste Delegiertenversammlung und ich kann bei allem was Du schreibst mitfühlen. Auch wenn mein English ausreichend war, konnte eigentlich jeder partizipieren, auch mit Übersetzter wie einmal aus Spanien.
Sehr wichtige Erfahrung für mich und Antrieb weiter local unsere Ideen zur Begleitung der schon stattfindenden Transformation zu den Menschen zu tragen.
Gefühlt haben wir 80 % hinter uns, doch fehlt einigen der Glaube an eine aktive Gestaltung der Transformation, ich fühle aber das dieses Jahr ein Durchbruch auf allen Ebenen stattfindet.
Wir bleiben einfach dran – weiter so !
Grüße aus München
Hallo Andreas,
vielen Dank für Deine netten Zeilen! Jetzt bin ich aber schon neugierig, wie Du auf meinen Blogbeitrag gestoßen bist ;-) Ansonsten: Genau – wir bleiben dran!
Viele Grüße zurück aus Köln
Karsten